Teil 15 Goa - 
Bharananganam  (Indien)

  REISEBERICHT  2008  Indien 

24.12.2008
Weihnachten in Indien. Das ist Ananas statt Lebkuchen. Obwohl viele Christen in Goa leben, die auch Weihnachtsbäume aufstellen, fehlt uns einfach die Kälte beim warten auf's Christkind.
So unter Palmen, in der Wärme, mit Blick auf den Indischen Ozean kommt einem die Weihnachtsdekoration im Magirus etwas schräg vor. Trotzdem wird der Mini-Tannenbaum aus Plastik mit der batterie-betriebenen Lichterkette versehnen. Sterne und Glöckchen werden aufgehangen. Am Abend wird das beleuchtete Jesusbild im Fenster montiert.
Am Strand von Agonda Beach ist alles sehr relaxt. Von den 'erfahrenen Travelern' die schon das eine oder andere Weihnachten hier am Strand verbracht haben kommt die Initiative einer gemeinsamen Feier am Weihnachtsabend. Ein Lagerfeuer wird von der 'Community' organisiert. Grillzeug bringt jeder selbst mit und auf Klapptischen wird ein Buffet aufgebaut.
Dani und ich machen unsere eigene kleine Weihnachtsfeier, die wir schon so lange im Kopf haben. Wir singen zwei Weihnachtslieder wie Zuhause und packen Geschenke aus. Danach essen wir unser Käsefondü. Dazu gibt es Sangria. Noch während die Anderen ihr Gegrilltes verzehren sind wir fertig mit unserer Feier und stoßen zu der Party am Strand.
Wir haben ein paar schöne Stunden am Lagerfeuer und es kommt uns vor als ob wir manche Leute schon ewig kennen würden.

Laut den westlichen Medien hat die indische Regierung alle Party's am Strand von Goa zu Weihnachten und Sylvester verboten. Cool. Wir feiern illegal.
Ein halbes Dutzend Soldaten patoulliert am Strand und weiter im Norden sind sogar Stellungen mit Sandsäcken und Maschinengewehren aufgebaut. Mehrmals am Tag fliegt ein Hubschrauber die Küstenlinie entlang um die Touristen zu beschützen oder zu beruhigen.
Die Terroristen haben mit dem Anschlag in Mumbai
offensichtlich ihr Ziel erreicht. An den Stränden von Goa ist wenig los. Die Touristenmassen bleiben aus.

25.12.2008
So. Schluß mit dem Zigeunerleben. Zurück an die Arbeit, wir müssen nach Kerala!
Einer der Höhepunkte unserer Reise ist der Besuch von Bindu Renu*. Sie ist eine Arbeitskollegin von Dani und kommt aus Kerala. Im Moment hat Bindu Urlaub und ist bei ihrer Familie, in der Nähe von Kottayam. Wir freuen uns schon drauf die Familie und ihr Zuhause kennen zu lernen.
Das bedeutet Auto aufräumen, zusammenpacken, einmal noch im Meer baden und dann Abschied nehmen. Es ist schon seltsam, aber in der kurzen Zeit in Agonda sind uns die Bewohner der anderen Autos ans Herz gewachsen. Wir haben das Gefühl daß man unterwegs schneller Freundschaft schließt. Vielleicht weil man an diesen Orten nur relativ wenig Zeit verbringt und weiß, daß man die Gelegenheit nutzen muß. Das erklärt vielleicht auch warum die Tage so schnell verstreichen.
Wir verabschieden uns von Christian, Hildegard, Julian, Hubert, Anna-Laura, Heiko, Tina, Timo, Thaddäus, Agnes, Gregor, Lusiana, Gery, Jo-Anne, Jade, Benny, Sam und Becky, fahren noch einmal an die Sickergrube und verlassen Agonda Beach.
Wir sind wirklich traurig.
Noch in Goa gehen wir großzügig einkaufen weil die Versorgungslage besser ist als im Rest von Indien. Auf dem NH17 verlassen wir den Staat Goa und sind nun in Karnataka. An das Auto fahren gewöhnen wir uns wieder sehr schnell. Das fahren macht aber auch Spaß. Es ist gut wieder unterwegs zu sein.
Om Beach ist für heute unser Ziel, denn im Reiseführer steht: Da ist es schön. Um an den Strand zu kommen muß man durch Gokarn und weil es keinen anderen Weg gibt, wird Maut kassiert. Wir bezahlen Rs 40 weil wir beide keine Lust zum verhandeln haben. Ein asphaltierter Weg führt Richtung Strand, leider beidseitig beparkt. Sackgasse und Einbahnstrasse zugleich. Denn jetzt, kurz nach Sonnenuntergang sind wir die einzigen, die Richtung Strand fahren.
Ein freundlicher Inder weist uns den Weg. Wir müssen durch den Busch steil bergab. In völliger Dunkelheit parken wir den Deutz auf einer Wiese und steigen aus. Wir können das Meer hören. Ein paar Meter weiter ist der Strand und ein paar Minuten später sitzen wir im Strandrestaurant.
Wir vermissen unsere Freunde.

*Bindu Renu: Name ist frei erfunden.

26.12.2008
Zum Restaurant gehören ein paar Hütten mit Dusche. Duschen wäre nicht schlecht. Warum auch nicht? Schließlich haben wir gestern im Restaurant gegessen.  Auf dem Rückweg von der Dusche werden wir blöd angemacht ob wir gefragt haben ob wir da parken dürfen. Vor dem Restaurant? Ja, er will 100 Rs für das parken haben. Es ist sein Ernst. Er (Inder) ist 'Owner of this Land' und wer vor seinem Restaurant parkt muß bezahlen.
Naja, vielleicht hätten wir fragen können ob wir duschen dürfen. Dafür hätten wir auch gerne bezahlt.
Gefälligst sollen wir in einer halben Stunde im Restaurant vorsprechen, denn sie müssen jetzt alle in den Tempel. Danach verhandeln um den Preis. Grrrr. Wir verlassen diesen komischen Platz. Nicht weiter zu empfehlen.

Es sind immer noch viele km bis Kottayam, also geben wir Gas. Die Landschaft ist wunderschön. Viel Wasser und Unmengen von Palmen.

Heute Abend finden wir einen angenehmen Platz an der Ullal Beach, zwei km vom Highway entfent. Es gibt ständig diese Höhen und Tiefen. Wir unterhalten uns lange mit einem Mann der für ein Softwareunternehmen aus Bangalore arbeitet und sein verlängertes Wochenende am Strand verbringt. Total nett und aufgeschlossen. Bei uns steht immer eine Traube Inder, die gaffen. Wir verabschieden uns von dem Mann aus Bangalore und ein anderer Mann labert uns planlos voll. Am Ende geht es nur darum eine Zigarette von Dani zu schnorren. Und weil er keinen Erfolge hat wird er richtig frech. India 1:1? Auf ein positives Erlebnis folgt garantiert ein Negatives. Indien hat so viele Gesichter.
Im Ort sollen Restaurants sein. Beim abschließen des Autos entdecken wir ein Loch im Holzaufbau. Wo kommt das denn her? Über den Tag verteilt hatten wir schon einige haarige Situationen im Verkehr, aber Keines würde so ein Loch erklären. Das muß man doch hören.
Wir gehen in den Ort und essen für 1,05 Euro zu Abend, incl Getränk. Weil wir noch Wasser mitnehmen möchten fahren die Leute vom Restaurant extra weg und holen 2 Kartons Trinkwasser. Wirklich nett. India 2:1?
Auf ein negatives Erlebnis folgt garantiert ein Positives. Indien hat so viele Gesichter.

27.12.2008
Nach der langen Zeit in Goa, am Agonda Beach, müssen wir uns erst wieder an Indien gewöhnen. Denn Goa ist nicht Indien. Das sagen Alle. Der National Highway 17 ist relativ schmal aber der Zustand ist recht gut. Eine Seuche ist halt der Vekehr. Wir sind keine Missionare. Sehen den überdiszipinierten Fahrstil in Deutschland auch nicht als Maß der Dinge an. Die Rücksichtslose Fahrweise mancher Inder bringt uns trotzdem immer wieder zur Weißglut. Zum Glück empfindet Dani genauso wie ich.
Defensives Fahren ist totaler Blödsinn. Da wird man nur in den Graben gedrängt und verliert Positionen, die man sich zuvor mühsam erkämpft hat.
Warum muss der Idiot mit seinem überladenen Tata sich drei mal an uns vorbei quetschen und kommt dann den Berg nicht hoch? Dann überhol ich ihn wieder zurück. Wenn es wegen einer Rikscha wieder mal nicht schneller geht, fahrt der Tata wieder voll in den Gegenverkehr und quetscht sich neben uns rein und wird langsamer. Zwei mal geht es gut, beim dritten mal kracht es. Als ob sie darauf gewartet hätten steigen Fahrer und Beifahrer aus und haben sofort dicke Steine in der Hand. Sie drohen nur, werfen aber nicht. Vielleicht auch weil Polizei in der Nähe war.
Wir müssen aufhören andere Autos zu rammen. Schade.
In einem namenlosen Ort stoppen wir für einen Geldautomaten und sehen ein Plywood Center. (Sperrholzladen) Wir fragen freundlich nach einem Reststück und bekommen es geschenkt. Damit können wir das Loch im Aufbau flicken. In der Enklave Pondicherry tanken 270 Liter Diesel, denn mit 33 Rs ist das der bisher günstigste Treibstoff in ganz Indien.
Die Landkarte weist Kappad Beach mit einer Palme aus. Wir biegen ab und beobachten noch eine ganze Weile den rückwärtigen Verkehr. Kein Mini-Tata in Sicht.
Aber ein schöner Strand - voller Inder. Und voller Müll. Wir sind inzwischen verwöhnt und gehen fast jeden Tag essen. Heute Abend im Kappad Beach Resort: "Hello, is the Restaurant open?" "Yes." Wir bekommen die Speisekarte und dann passiert eine halbe Stunde nix. Als ich bestellen will, kann der Kellner kein Englisch. Er geht weg, ein Anderer kommt und erklärt wir können nichts bestellen, denn die Küche sei geschlossen. Hm, selber schuld, wenn ich meine Fragen so undeutlich formuliere.

28.12.2008
Um 4:50 geht Musik in abartiger Lautstärke an. Wir stehen direkt neben einem Tempel - die Musik ist richtig schön, aber 8:00 Uhr wäre auch OK gewesen.
Nach dem Frühstück wird erstmal das Loch im Holzaufbau beseitigt. Das Loch ist zwar nicht weg, aber nun mit dem Reststück Sperrholz abgedeckt, das wir gestern geschenkt bekommen haben. Drei indische Buben beobachten mich ohne Unterbrechung als wären wir Tiere in einem Gehege. Das nervt, aber ich kann nicht's dagegen tun. Sie sind im Grunde ganz nett. Als wir fertig zur Abfahrt sind wollen die Jungen 10 Rs haben. "For what?" fagt Dani. "For icecream." antworten sie. Eigentlich hätte wir das Geld verdient - im Zoo zahlt man schließlich auch Eintritt. Aber erklär das mal.
Palmen, Palmen und zwischendrin Wasser mit romantisch anmutenden chinesischen Fischernetzen, die der Reiseführer erst für Kochi angekündigt hat. Der Tag vergeht mit autofahren in der gewohnten Art.

[Wer keine Lust mehr auf Unfallgeschichten hat mag den nächsten Absatz überspringen]
Am Nachmittag überholt uns ein Eicher Lastwagen. Auf gleicher Höhe zieht er links rüber. Er will halt nicht mit dem Reisebus frontal zusammenstoßen, der entgegen kommt. Das ist einzusehen. Es kracht wieder, das Geräusch ist ja bekannt. Die Stoßstange ist wieder verbogen, so wie in Pakistan. Vielleicht baue ich mal ein Scharnier an der Stelle ein, sonst bricht noch was ab.
Unfall. Pffff. 'Business as usual' Aussteigen und rumbrüllen um an der Schuldfrage keinen Zweifel zu lassen. (Dani und ich sind da beide gleich gut) Wir würden die Polizei holen, aber haben nicht die Telefonnummer. In der Menschentraube, die sich schnell bildet wird der Fall verhandelt. (Indien: Größte Demokratie der Welt) Wir sind unschuldig. Für den Schaden wollen wir 12.000 Rs haben. (200 Euro, lächerlicher Betrag, aber ein Vermögen in Indien) Die Traube bietet 500 Rs, so landen wir auf der Polizeistation. Unser Unfallgegner wird nicht vom Polizeichef verprügelt, wie in Pakistan - für uns geht das in Ordnung. Wir könnten Anzeige erstatten und vor Gericht gehen. Aus Rache oder Gerechtigkeit? Völlige Zeitverschwendung.
Der Fahrer des Eicher Lastwagen will den Schaden in einer Werkstatt seiner Wahl reparieren lassen um so aus der Sache raus zu kommen. Das wollen wir auf keinen Fall. Es macht auch keinen Sinn. Die Stoßstange ist ohnehin ein Schwachpunkt und muß neu gebaut werden. Und wir wollen pünktlich bei Bindu sein.
Was soll's, wir nehmen wenigstens die 500 Rs und sehen zu das wir wieder auf die NH17 kommen.

Der Rest vom Tag vergeht ohne Havarie und wie gewohnt steuern wir zum Tagesende einen Strand an. Heute ist Sonntag und Massen von Menschen sind am Cherai Beach. Wir stehen im Stau. Das haben wir eigentlich nicht verdient, denken wir. Nur unsere Ruhe wollten wir heute noch haben. Im Cherai Beach Resort erlaubt man uns zu parken wenn wir im Restaurant (Buffet, 500 Rs) essen. Danach müssten wir den Parkplatz verlassen. Wir können auch die ganze Nacht stehen, müssten dann aber eine Hütte für 5000 Rs mieten. Die Arroganz, die von dem Hotel Manager ausgeht ist in Worten nicht zu beschreiben.
Grrrr. Wir parken kostenlos neben dem Hotel im Sand. Bei der Einfahrt auf das Gelände reisst der Deutz ein Stromkabel ab. "You pay the cable aswell!" schreit ein Mann, den wir dann aber nie wieder sehen. Am Strand findet ein Festival statt und wir sehen den für Kerala typische Kattakali Tanz. Wir langweilen uns sehr und gehen bald weiter. Für 30 Rs essen wir an einem Stand zu Abend und lassen uns später in die Klappstühle sinken.
Es ist wirklich schwer für heute Abend seinen Frieden mit den Indern zu finden.

29.12.2008
Ein herrlicher Tag ohne einen einzigen Unfall. Aber das werden wir erst am Abend wissen. Wir müssen was mit der Stoßstange tun. Wenn die sich so leicht verbiegen lässt, sollte sie auch einigermaßen zu richten sein. Wir suchen uns auf dem Parkplatz eine abgestorbene Palme ohne Blätter und Nüsse. Ich demontiere den Glaseinsatz des Scheinwerfers und das Nummernschild. Vorsichtig fahre ich mehrfach gegen die Palme und nach etwa einem Dutzend Versuchen ist die Stoßstange wieder ganz gut in Form. Besser bekommt man das ohne Werkzeug nicht hin.
Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Arbeitskollegin von Dani. Wir haben gesagt, daß wir am 30ten da sind, und nun sind wir etwas zu früh. Was nicht so schlimm ist bei fast fünf Monaten Anreise. Morgen wollen wir uns in Pala treffen und sind nun schon ein paar Kilometer vor dem Treffpunkt. Um uns hübsch zu machen und das Auto aufzuräumen suchen wir uns hier einen Platz für die Nacht. Nicht so einfach - überall Palmen und bebaute Grundstücke. In einer Seitenstrasse finden wir einen leeren Bauplatz, der dem Hügel abgerungen wurde. Darf man hier stehen?
Binnen Minuten sind die Männer, die uns beim abbiegen gesehen haben, da und begrüßen uns. Wir sind eine Attraktion im Dorf. Natürlich dürfen wir bleiben. Die Besitzer des Grundstücks wohnen nebenan und heißen uns willkommen.
Wir sind nicht mehr in der Nähe der Küste. Die Menschen sind hier sehr freundlich. Der Manager des gegenüberliegenden Sägewerks zeigt uns den Betrieb und wir haben ein langes Gespräch mit dem Besitzer.
Nach Einbruch der Dunkelheit besucht uns Pater Paulus. Er arbeitet in Darjeeling als Missionar und ist der Bruder des Mannes, auf dessen Land wir parken. Pater Paulus ist auch weit gereist und erzählt uns viele Geschichten aus Indien. Er meint es wäre gut dass wir nicht nach Darjeeling gekommen sind. Denn es gibt viele Streiks und es kann sein dass sich für Tage dort nichts bewegt. Ausserdem wäre unser Auto zu schwer und man hätte uns ohnehin die Zufahrt verwehrt.

Die Menschen sind herzlich und für heute finden wir unseren Frieden mit den Indern. Wir sind aufgeregt wegen Morgen, denn da treffen wir Bindu und ihre Familie.

30.12.2008
Seit ein paar Tagen machen wir Späße und fragen uns bei jeder Gelegenheit 'Ob so das Haus von Bindu aussieht?' Wir verabreden uns für 11 Uhr in Pala. Das ist typisch deutsch denken sich die Inder. Wir fahren tausende Kilometer durch fremde Länder und sind dann pünktlich um 11 Uhr am Ziel. Wir wissen noch gar nicht wie wir dann zum Haus kommen. Kommt Bindu alleine? Oder mit der ganzen Familie? Wie viele sind das? Haben die ein Auto oder kommen sie mit der Rischa? Bindu erzählt nix am Telefon. Passt der Magirus überhaupt durch die Gassen und auf das Grundstück? Als Bindu den Deutz bei uns Zuhause gesehen hat ist sie erschrocken. So ein großes Auto hat sie bei sich Zuhause noch nie gesehen. Die Strassen sind dort viel kleiner. Und: "Ihr werdet euch noch wundern.", hat sie gesagt.
In Pala treffen wir Bindu. Sie kommt mit Mann Renu und Sohn Kevin. Das Auto mit dem sie kommen, sieht aus wie neu und nicht ausgeliehen.
Wir fahren nach
Bharananganam, wo sie wohnen. Die Strassen sind natürlich breit genug. Das Anwesen mit dem Garten ist traumhaft. Wir haben uns schon gedacht, das die Familie nicht das Wasser aus dem Ganges trinken muß. Aber vor Überraschungen ist man nie sicher. Das Haus hat eine Veranda mit gemütlichen Sitzgelegenheiten aus kühlem Granit. In der Mitte des Hauses ist ein Atrium von dem die Zimmer weg gehen. Der Flur ist also nach oben offen und nur mit einem Gitter gegen Einbrecher versehen. Wenn es regnet läuft das Wasser vom Dach an Ketten in ein Becken, von wo es abgeleitet wird. Das Heim ist sehr geschmackvoll aber nicht protzig. Im Haus sind drei Schlafzimmer mit Bad, eines davon dürfen wir benutzen. Wir schlafen lieber im Auto, benutzen aber gerne die Dusche. Wir sind im Paradies.
Im Garten wachsen solche Sachen wie Annanas, Bananen, Pfeffer, Mango, Papaya und andere exotische Früchte.
Das Haus ist pickobello sauber, im Garten werden zwei mal täglich die Blätter aufgepickt.
Renu's gehören zur aufstrebenden indischen Mittelschicht. Arm war die Familie noch nie, der Besitz von Land hat sie immer ernährt. Wohlhabend werden die Familien aber erst, wenn ein oder mehr Mitglieder der Familie im Ausland arbeiten. "Dafür hat sich die Plackerei im Altersheim doch gelohnt, oder?" Wir sind ganz Deiner Meinung.

Zum Mittagessen gibt es Fisch mit Reis. Reis gibt es zu jedem Gericht. Durch den Garten erreichen wir das Grundstück der Schwiegereltern und besichtigen deren Haus. Viele Familienmitglieder besichtigen den Deutz und wir kommen ganz durcheinander wegen den vielen Gesichtern. Nach und nach verstehen wir aber wer wohin gehört.
Am Abend besuchen wir das Grab der heiligen Alfonsa. Alfonsa war Nonne und ist vor wenigen Monaten von Rom heilig gesprochen worden. Hier in
Bharananganam ist ihr Grab und Pilger aus ganz Indien kommen jetzt  in diesen kleinen Ort. Zum Abendessen gibt es Süßkatoffeln und Kochbanane, an die wir uns aber nicht gewöhnen können. Abgefahren: Wir sind bei Bindu in Indien angekommen.

31.12.2008
Wir frühstücken nachdem Kevin mit seinem Vater vom Frisör zurück ist. Es gibt Kaffee und Gries mit Gemüse. Kerala food.
Wir würden gerne die Plantage besichtigen, können aber nicht weg weil Reporter vom Regionalfernsehen kommen wollen. Wir duschen im Haus und machen uns hübsch für die Kamera. Pünktlich um 10:30 kommt ein Reporter mit Kameramann auf dem Motorrad und stellt Fragen. Bindu muß übersetzten. Wir werden vor und im Auto gefilmt. Das Interwiew geht so: Wir sitzen/stehen in der Sitzecke. Der Kameramann filmt uns vom Bett aus. Der Reporter stellt seine Frage an Dani. Bindu übersetzt die Frage an mich: "Was ist der Grund Eurer Reise?" Ich antworte "Wir wollen Indien besuchen." Bindu übersetzt und die Antwort dauert eine gefühlte Minute. Das ist lustig. Auf die Frage wie Pakistan war gibt Dani zu verstehen daß wir nur freundliche Leute getroffen haben und nie Probleme hatten. Wir sind von Leute in Lahore eingeladen worden und sie haben Dani Kleider geschenkt. Wir sind mal gespannt was sie senden und was rausgeschnitten wird.

Den Rest des Vormittages ist Renu mit Kevin auf der Plantage und wir sitzen mit Bindu auf der Terasse. Bindu erzählt wunderschön, wir könnten stundenlang zuhören. Weil Bindu in Deutschland arbeitet hat sie ein gutes Gefühl für unsere Kultur und Sichtweise. Sie spricht perfekt deutsch und hat ein Sinn für Humor. Auf diese Weise erfahren wir viel Dinge, die hinter der Fassade stattfinden. Es ist extrem wichtig hier vor Nachbarn und Freunden gut da zu stehen. Das Gesicht zu wahren.
Die Familie ist wohlhabend. Das kommt vom erst mal vom Landbesitz. Wenn nur ein Mitglied der Familie aber in ein westliches Land geht und einen einigermaßen gut bezahlten Job findet, geht es der ganzen Familie richtig gut. In der Umgebung sind in den letzten Jahren viele Familien zu Geld gekommen. Was früher nie vorstellbar war. Das kann man sehen an den Häusern.

Am Nachmittag fahren wir mit dem Chevrolet nach Pala. Uwe macht Internet und der Rest geht einkaufen. Das Internet frustiert, weil in keinem Cafe das Netzwerkkabel für den Labtop benutzt werden darf. Wir nehmen noch einen NesCafe und hetzen dann Nachhause.
Schnell umziehen. Heute Abend sind wir auf einer Feier eingeladen. Ein Mix aus Junggesellinenabschied und halben Polterabend. Die Tochter der Cousine von Renu's Mutter (oder so) wird verheiratet. Die Familie der Braut gibt der Tochter etwas Süßes mit auf den Lebensweg. Natürlich in Form von Kuchen. (Die Gäste stecken der Braut Kuchen in den Mund) Und natürlich wird ein Abendessen serviert. Zum Lifestyle der oberen Mittelklasse gehört auch der Genuß von Alkohol. Jeder weiß, daß die jungen Leute hinter den geparkten Autos stehen und Bier und 'Liquor' trinken. Vor den Augen des Vaters wird kein Alkohol getrunken.
Wir sind mit bei den Ersten am Buffet, denn wir müssen noch fernsehen gucken.
Um 20 Uhr, 22 Uhr und Morgen um 7 Uhr wird der Bericht von uns im Fernsehen gesendet. Pünktlich um 22 sitzen wir vor dem Fernseher. In der Tat wird der Bericht gesendet.  Das Interwiew ist zu sehen und der Magirus aus allen Perspektiven. Sie senden wirklich alles und schneiden nur die schlechten Szenen raus. Wir finden, es ist gut gemacht. Wir bewegen uns ungeschickt vor der Kamera aber es kommt alles in den Fernseher. Unsere Antworten auf die Fragen sind alle zu sehen. Auch die, welches Land uns auf der Reise am besten gefallen hat. (Deutschland)

Morgen müssen wir früh raus. Die Hochzeit wird anstrengend. Also verabschieden wir uns von Renu's. Wir suchen noch ein wertvolles Geschenk für das Hochzeitspaar aus der Geschenkekiste aus und verpacken es liebevoll.
Silvester ist ja auch noch. Um 0 Uhr stoßen Dani und ich im Deutz mit Dosenbier an, draußen detonieren ein paar Kracher. So ein ruhiges Silvester hatten wir noch nie.

1.01.2009
So früh sind wir an Neujahr noch nie aufgestanden. Um 7:50 starten wir zu Bindu's Schneider um das Gewand für die Hochzeit zu holen. Danach geht es zum Haus der Braut. Hier wird gefrühstückt und die Braut vom Elternhaus verabschiedet. Zum Frühstück gibt es Reisfladen, Hühnchen und Kochbananen. Im Konvoi geht es nach Kottayam in die Gemeinde des Bräutigams. In der Vimalagiri Kathedrale findet der katholische Gottesdienst statt. Weil die Messe auf Malayalam gehalten wird verstehen wir kein Wort. Als ehemaliger Messdiener weiß ich aber immer wo wir gerade ungefähr sind. Die Braut ist katholisch und der Bräutigem nicht. So fliegt er aus seiner Kirche und wird nun auch römisch-katholisch. Die Trauung ist in einer guten Stunde erledigt. Danach wird gleich im Gemeindezentrum gegessen. Es zieht sich etwas hin bis das Brautpaar endlich da ist, weil erst Fotos gemacht werden. Auf der Bühne werden die Brautleute mit Gold behängt. Die Braut ist aber nie zu sehen, weil ein Helfer der Fotografen mit einer Styroporplatte das Licht für die Bilder verbessern will. Das ist aber egal, alle warten auf das Signal zum Essen. In der Sekunde, wo der Kuchen angeschnitten wird, kommen die Kellner mit Schüsseln und das Essen beginnt. Es gibt eine Teigartige Vorspeise, die an Creppes erinnert, Reis mit Hühnchen und verschiedene Saucen. Das Essen ist eine Katastrophe, sagen die Kenner. Uns schmeckt es ganz gut. Uns irritiert die Geschwindigkeit, mit der gegessen wird. Sobald die Schüsseln kommen wird reingeschaufelt so viel und so schnell es geht. Die Kellner bringen den Nachtisch schon, als mein Teller noch ganz voll ist. Nach zehn Minuten ist man fertig mit essen und geht, ohne sich vom Brautpaar zu verabschieden.
Zurück bleiben die engere Verwandschaft und wir. Die Hochzeitsgäste warten vor der Kirche bis die Braut fertig ist mit umziehen und essen. Danach werden wieder Fotos gemacht. Und das dauert lange. Vier unabhängige Teams versuchen das Shooting zu organisieren. Je ein Video und Foto- Team von jeder Familie kommandieren die Hochzeitsgesellschaft umher. Es dauert ewig und wir haben Durst bis zum umfallen. Viele Gäste sind sauer, manche warten im Auto mit laufendem Motor. Dani und ich wünschen uns in dem Moment wir wären im Magirus auf der Landstrasse unterwegs. Endlich geht es weiter. Die Braut wird in der Familie des Bräutigam abgegeben. Das ist eine weitere traditionelle Zeremonie. Und überhaupt ist das wieder ein Stein des Anstoßes. Denn die Familie des Bräutigam wohnt in einer Wohnung (!) und hat nicht mal ein eigenes Haus! Ein No-go. Es gibt aber jemanden in der Verwandschaft, der sein Haus zur Verfügung stellt.
Das ist in Kumarakom, wo auch die Hausboote zu den Backwaters zu mieten sind. Ein Juwel aus Holz von 1850. Der Besitzer des Hauses verteilt Visitenkarten. Man kann die Schlafzimmer im Haus besichtigen, und auch mieten. Sowas wie Bed and Breakfast.
Ein Kuchen wird zerschnitten und die frisch Vermählten füttern sich gegenseitig.
Wir haben einen kurzen Moment mit dem Brautpaar unter acht Augen, als auch sie für einen Moment von der Menge fliehen. Jedenfalls haben die Beiden das Flugticket für Australien schon in der Tasche, wo beide studieren.

Die Gäste sind sich am Ende einig, das wäre die 'beschissenste' Hochzeit die sie je erlebt haben.

2.01.2009
Heute ist Ruhetag. Erst Morgen findet die nächste Hochzeit statt. Wir nutzen den Vormittag, die Plantage der Renu's zu besichtigen. In einem Art Mischwald wachsen wie zufällig Bäume und Palmen neben einander. Auf dem ersten Blick sieht es ganz natürlich aus. Am häufigsten gibt es Kokosnuß, Banane, Kakao, Betelnuß und Kautschuk. Dazwischen findet sich alles mögliche, was sich verkaufen lässt. Bambus, Mahagonibäume und so weiter. Heute Früh ist ein Mann gekommen, der die Betelnüsse erntet, das kann nicht Jeder. Er hat an Händen und Füssen Seile mit denen er wie mit einer Klammer den glatten, dünnen und hohen Palmbaum umfasst. Wie eine Raupe klettert er sehr schnell auf die Palme, schneidet mit der Machete den Büschel mit Nüssen und rutscht wieder runter, wie ein Feuerwehrmann. Diese Palmenkletterer gehören zu einer eigenen Kaste und nur Die machen sowas. Somit haben sie quasi ein Monopol und verdienen ganz gut, weil sie die Preise diktieren können. "Es könnte den Familien ganz gut gehen, aber sie versaufen immer gleich alles. Und wenn sie in Not geraten kommen sie gelaufen und betteln. Dann gibt man ihnen was, denn sonst kommt man ja nicht mehr an seine Nüsse ran." Es gibt auch andere Kasten, die nur Mäuse gegen Bezahlung fangen, aber das ist eine andere Geschichte.
Am Nachmittag wechsle ich die Hinterreifen des Deutz gegeneinander. Denn die nutzen sich sägezahnförmig ab und so viel Gummi ist nicht mehr auf dem Reifen. Jetzt kann sich die andere Kante abnutzen. In Indien gibt es unsere Reifengröße nicht und so muß der Reifen noch eine Weile halten.
Nach dem Essen legen wir uns auf die Veranda machen ein Nickerchen. Nach dem Kaffee trinken spielen wir eine Runde Federball. Das ist wie im Beach Resort hier!
Am Abend kommt das Brautpaar von Gestern zu Besuch vorbei.
Die Armen fahren eine Runde um sich bei ihren Hochzeitsgästen zu bedanken. Bei der Gelegenheit besichtigen sie gleich den Magirus. Bindu übernimmt mittlerweile die Führungen, sie ist mit den Daten und Hintergründen bestens vertraut und beantwortet die meisten Fragen ohne fremde Hilfe.
Morgen ist schon wieder eine andere Hochzeit. Vor einigen Tagen haben Dani und ich noch gescherzt, wir müssten so schnell wie möglich weg aus diesem Paradies. Hier sind ständig Feiern auf die wir eingeladen werden. Am Ende stibt noch Jemand und wir müssen auf die Beerdigung. Heute ist jemand gestorben.
"Der Mann war so ein schlechter Mensch und am Ende stirbt er auch noch Heute. Jetzt soll er morgen beerdigt werden und da sind doch zwei Hochzeiten!"


3.01.2009
Die Beerdigung ist am Nachmittag. Wer auf die Hochzeit eingeladen ist geht auf die Hochzeit. Am Morgen fahren wir zwei Kilometer zum Haus des Bräutigam. Diese Hochzeit ist etwas komplitzierter, denn normal wird die Braut nach der Hochzeit zum Haus des Bräutigam gebracht.
Weil der Bräutigam aber aus Deutschland kommt, wurde hier extra ein Haus angemietet. Später fliegt das Paar wieder nach Berlin. Wir sitzen also an diesem Haus auf der Terasse und unterhalten uns mit dem Brautigam und den Brauteltern. Bindu ist im Haus und soll irgendwas regeln. Sie ist extra herbestellt worden um dem jungen Mann zu erklären was eigentlich abgeht. Er wird auch geschminkt und bekommt die Schuhe gebunden. Um kurz nach halb elf verlässt die Gesellschaft das Haus und fährt zur Kathedrale von Pala. Keinesfalls vor halb elf das Haus verlassen, das bringt Unglück. Der Bräutigam kommt mit Mercedes E-Klasse, die Braut fährt symbolträchtig im indischen Ambassodor vor. Es gibt einen Elefanten mit Trompetenkapelle. Alles ist eine Runde schicker als auf der ersten Hochzeit vor zwei Tagen. Man soll sowas ja nicht miteinander vergleichen, schließlich ist das der wichtigste Tag im Leben der Brautleute, und somit einzigartig.
Trotzdem ist hier das Essen besser und die andere Hochzeit hatte keinen Elefanten. Dafür war der andere Anzug besser und so geht das den ganzen Tag. Über die Höhe der Mitgift gibt es keine Informationen, ärgerlich. Die Fernehleute sind wieder da und machen einen Bericht für die Abendnachrichten "Liebe in Deutschland - Hochzeit in Kerala." Auf der Hochzeit wird viel deutsch gesprochen. Neben der Familien des Bräutigam sind zwei, drei Dutzend Freunde aus Deutschland eingeflogen. In der indischen Familie der Braut arbeiten und leben viele in Deutschland.
Nach der Hochzeit gehen wir einkaufen. Noch ein Kleid für Dani. Das wird für's erste mal das Letzte sein, hoffe ich. Auch eine Reisetasche und Gewürze werden gekauft.

Das Programm ist straff oranisiert. Am Abend besuchen wir das Haus von Bindus Eltern. Morgen wollen wir weiter fahren.

4.01.2009
Wir dürfen nicht weiter fahren. Die Eltern von Bindu wollen heute kommen um den Magirus zu besuchen. Vorher wird Auto gewaschen und geduscht. In Bharananganam kaufen wir Pilgereiartikel der hl. Alfonsa und in Pala gehen wir im A/C* Familiy Restaurant essen. Schon wieder essen. Drei warme Mahlzeiten am Tag sind uns zu viel. Vor allem wegen den vielen Zwischenmahlzeiten. Wird Zeit, daß wir hier weg kommen, sonst schleift beim lenken noch das Lenkrad am Bauch.
Nach dem schuhekaufen habe ich nochmal Federball mit Kevin gespielt und deshalb nochmal duschen müssen. Renu macht derweil zwei Führungen im Magirus. Freunde von Bindu und Renu bringen am Nachmittag Bier vorbei, damit es vorkühlen kann.
Am Abend kommen sie mit ihren Familien zum feiern vorbei. Sie wohnen alle noch bei ihren Eltern und können im Elternhaus keinen Alkohol trinken. Das kann ja heiter werden.
Haus und Garten sind wieder rausgeputzt. Essen zum mitnehmen wird bestellt. Die Gäste trinken Bier und Brandy. Es ist eine lustige Clique. Die Männer sitzen im Garten und trinken, damit sie das Haus nicht dreckig machen. Die Frauen sind im Haus und lästern über die Männer. Dani sitzt bei uns Männern. Nach zwei Bier können alle ganz gut englisch. Ob ich schon mal eine Jackfrucht gesehen habe? "Nein." sage ich. "Gut, dann fahren wir kurz zu meinem Haus, das ist nur zwei km von hier."
Bin doch nicht wahnsinnig, nachts zu einem betrunkenen Inder ins Auto zu steigen. Also fahren Zwei los und schneiden die Jackfrucht vom Baum. Sie ist so groß wie eine Wassermelone aber leider noch nicht reif. Angeblich werden sie so groß wie ein Vesparoller und können einen erschlagen, wenn sie vom Baum fallen.
Um 23 Uhr ist die Party vorbei und wir räumen auf. Der Tisch an dem die Männer gesessen haben sieht wirklich aus wie ein Schlachtfeld.

*A/C: Klimaanlage

5.01.2009
Time to say good bye. Wir verabschieden uns von Familie Renu. In den letzten Tagen sind uns die Menschen richtig ans Herz gewachsen. Das merkt man immer erst beib Abschied. Zuhause in Münster haben wir den Abschied von den Freunden gar nicht so schlimm empfunden, weil wir wussten, daß wir uns wieder sehen. Aber in Goa und
Bharananganam ist es so, daß wir wissen, wir werden die meisten nie wieder sehen.

Nächstes Ziel ist Kanniyakumari und das Cape Comorin. Der südlichste Punkt des indischen Subkontinent wird auch der südlichste Punkt unserer Reise sein.




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